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August 2019

Notizen aus dem Gewimmel: Die Geburt eines Buches

Was ist mit Deinem Abendessen mit Jacques und Christine? Wart ihr nicht um acht verabredet? – Ich sage ab. Dein Buch ist wichtiger. – Nur wenn es etwas taugt. Wenn nicht, wirst Du mich verfluchen, weil Du das Dinner verpasst hast. – Ich rechne nicht damit, dass dein Buch schlecht ist. Aber selbst wenn, ist es immer noch wichtiger als das Dinner. – Wie kannst Du das sagen? – Weil es dein Buch ist, dein erstes Buch, und egal wie viele Bücher Du künftig noch schreibst, dein erstes Buch schreibst Du nie wieder. (Paul Auster, 4321)

Ich hatte ja keine Ahnung. Wie das ist. Zwei Kinder habe ich zur Welt gebracht, aber noch kein Buch. Bis diese Woche. In der ich unbedingt über die überwältigende Lektüre von „4321“ schreiben wollte, über diese Wundertüte von Buch, über das ich schon so viel gelesen habe, das ich vor einem halben Jahr schon mal anfing und dann weglegen musste, weil ich schon ahnte, dass es wenig Raum für anderes lässt. Die windige Hitze auf einem Hügel Umbriens war dann genau der richtige Ort, um halbe Tage darin zu verschwinden. Die Kinder sind zum Glück groß und sind nicht verhungert.

Doch mehr dazu kann ich erst im nächsten Blog schreiben, denn erstens bin ich noch immer dabei, zu verdauen, zu notieren, zu sortieren, was die Lebensgeschichten von Archibald Ferguson alles bergen, offenbaren, mit mir gemacht haben. Und zweitens erlebt nicht nur er den Moment, irgendwann sein erstes eigens verfasstes Buch in den Händen zu halten.

Sekt und Skizzen

Sondern auch ich. Die dachte, mit der Abgabe beim Verlag sei es vollbracht, so ähnlich wie damals, als die Magisterarbeit fertig war. Was für ein Kuddelmuddel von Gefühlen einen überkommt, wenn plötzlich die Kisten mit den gedruckten Büchern vor einem steht, damit habe ich nicht gerechnet. Dass die Hände zittern beim Öffnen. Dass ich vor dem Öffnen mit Sekt anstoßen wollen würde, um den Moment hinaus zu zögern. Wie schön es sein würde, Kornelius’ Skizzen zu „Stille“ und „Vom Blau“ hervorzuholen, die dieser wunderbare Mensch und Künstler mir geschenkt hat. Und sie neben die Bilder im Buch zu legen.

Und erst die Gedanken an alles, was jetzt kommt. Es ist ja wirklich wie nach einer Geburt: Vieles werde ich in den kommenden Tagen und Wochen zum ersten Mal tun und daher lernen müssen. Denn ein Buch braucht Leser und Leserinnen, die Bilder Betrachter, die Worte Köpfe und Herzen, in denen sie nachhallen können. Es muss sozusagen laufen lernen. Ich werde also – und habe schon – werben müssen für die „Ansichten in stillem Blau“. Sie in Buchhandlungen tragen. Menschen davon überzeugen, einen Blick hinein zu werfen, in der Hoffnung, sie wollen mehr davon. Doch wie viel Werbung ist gut und genug und wann nervt sie? Ich weiß es nicht. Werde es aber lernen.

Vorlesen und Versenden

Ich werde es verschicken an potentielle Rezensenten, wissend darum, dass so ein Prosa-Lyrik-Kunstbuch-Mischwesen nicht leicht haben wird. Bangend warten, ob und was sie schreiben. Und ich werde vorlesen, zum ersten Mal allein, ohne die Kolleginnen von der Lesebühne. Am 16.8. in der schönsten Weinhandlung im Großraum Pankow. Ricarda, die Inhaberin von „Fassgold“, hat so getrommelt, dass schon fast alle Karten verkauft sind. Himmel, bin ich aufgeregt. Vorfreudig. Ein bisschen ängstlich. Man nennt es wohl Lampenfieber.

Am 23.7. auf unserer wunderbaren Lesebühne „Des Esels Ohr“, kurz und liebevoll DEO genannt, werden die „Ansichten“ aber natürlich auch Teil des Programms sein und diesen Abend sehe ich schon von weitem glitzern, denn neben Franziska Hauser, Susanne Schirdewahn und mir liest Bettina Strang, eine Dichterin, die ich ENDLICH persönlich kennen lernen darf. Von ihren Wortspielen, Geschichten, Dialogen und Reimen kriege ich schon seit langem nicht genug. Und als wäre das nicht genug der anstehenden Seligkeiten, wird Stephan-Max Wirth den Abend musikalisch begleiten. Er kann zaubern auf seinem Saxophon und lehrt mich außerdem seit zwei Jahrzehnten das Klarinettenspiel. Mit ihm die Bühne teilen zu dürfen, ist nicht nur ein weiteres neues Erlebnis, sondern eine Ehre.

Rumpeln und Zucken

Und dann? Mehr Lesungen, hoffentlich. Das nächste Buch. Es rumpelt schon mächtig im Kopf und zuckt in den Fingern, in Kornelius’ wie in meinem.

„Auf der Welt wimmelt es. Alles ist möglich.“

 Das liest Archibald Ferguson in den Texten, die John Cage unter dem Titel „Silence“ veröffentlichte. Die deutsche Ausgabe mit der Übersetzung von Ernst Jandl muss ich unbedingt haben. Ich liebe diese zwei Sätze. Sie beschreiben so einfach und treffend, warum es in diesen Tagen nicht möglich war und ist, über Archibald Ferguson zu schreiben. Sondern es jetzt heißt, das Wochenbett zu genießen – mit all seiner Aufregung und dem Gewimmel von Gefühlen.

Und jetzt kommt die Werbung! Bestellbar ist das Buch – Blick hinein: hier – in jeder Buchhandlung, direkt beim Treibgut-Verlag oder bei mir, auf Wunsch signiert. Es kostet überall 16 Euro – außer bei Amazon. Denn da gibt es die „Ansichten in stillem Blau“ nicht. Und das ist gut so. Es ist kein guter Ort für Neugeborene.

2 Antworten zu “Notizen aus dem Gewimmel: Die Geburt eines Buches”

  1. Wie schön! Herzlichen Glückwunsch zur Geburt und alles Liebe und Gute für euren gemeinsamen Weg.

    Liebe Grüsse
    Sandra

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