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Februar 2019

Online! Oder: Laufend lesen und lesend mäandern

Der erste Blog „live“. Seit Tagen frage ich mich, welches Buch soll es sein? Der Jahresbeginn war und ist lektüreintensiv wie selten. Es war Unnötiges dabei, auch richtig Ärgerliches (dazu ein andermal) – vor allem aber viele Diamanten. Ich kann unmöglich eines heraussuchen. In den nächsten Wochen werden sie alle hier Beachtung finden. Dazu kommt: Ich mäandere. Oft tauche ich über Tage oder Wochen in ein Buch, sei es, weil neben ihm im Kopf kein Platz ist, sei es, weil es schnell gelesen werden muss. Im Moment taumele ich im Rausch der tausend Töne, je nach Ort, Gefühlslage, Uhrzeit ein anderes Buch. Und alle sagen immer gleich: Ach, Du. Willkommen. Und schon bin ich drin.

Da ist Angie Thomas, die ich für die Berliner Zeitung gelesen habe, das neue: „On the come up“. Nie war HipHop mir so nah wie durch die Geschichte von Bri, die im härtesten Milieu aufwächst und, durch viele falsche Entscheidungen und Himmelfahrten, zwei anfangs unvereinbar scheinende Ziele erreicht: Erfolgreich als Rapperin zu sein und sich dabei treu zu bleiben. Ich war so geschüttelt, dass ich „The Hate you Give“ (beide übersetzt von Henriette Zeltner) gleich hinter lesen musste. Muss, bin noch dran. Bis der Film Ende Februar ins Kino kommt, bin ich durch.

Auch wenn Hanya Yanagihara noch spukt. „Das Volk der Bäume“ legt einen zwar nicht über Monate lahm, wie „Ein wenig Leben“, aber es dauert. Zu verdauen. Zu ordnen. Sich zu verorten. Es ist eine seltsame Angelegenheit, einem Erzähler über hunderte Seiten zu folgen, den man nicht mag. Dessen Ansichten, Selbstgewissheit und Gelüste einen an vielen Stellen zutiefst abstoßen. Trotzdem schafft es Yanagihara (und mit ihr Übersetzer Stephan Kleiner), dass man dranbleibt an den Aufzeichnungen des Arztes Norton Perina, der hinter das Geheimnis eines mikronesischen Volkes kommen will, das uralt wird. Unsterblich? Die Folgen des Interesses der sogenannten fortschrittlichen Welt an ihrer abgelegenen sind für das Dschungelvolk verheerend – und Nortons Liebe zu den Kindern des Volkes für diese. Für ihn viel zu wenig. Ich weiß noch nicht, wie ich diesem Buch mit Worten beikommen soll. Versuche es aber bald.

In der Tasche (die anderen sind alle so dick) habe ich im Moment die Texte von Michaela Debastiani und (immer) Gedichte. Nicht immer Rilke. Timo Brandts Band „Ab hier nur Schriften“ habe ich erst angefangen, weiß aber jetzt schon: Selten passte ein „nur“ weniger vor etwas Geschriebenes, als hier. Jedes dieser Gedichte nimmt einen mit in eine Welt, die kurzen wie die langen, die bildsatten wie die vermeintlich schlanken. Von überall her winken andere Dichter und dennoch trifft man auf einen ganz eigenen, vorher nicht so gelesenen Ton. Timo Brandt liest viel, das weiß, wer seine „Lesefundstücke“ und Rezensionen kennt. Er sollte noch viel mehr schreiben. Mehr von mir bald.

Und auch was sich zwischen den Deckeln von Debastianis „Frauenherz“ befindet, ist mächtig. Prall. Sinnlich. Nachdenklich. Ehrlich. So ein schmaler Band – und entpuppt sich als Zauberkoffer. In den viel mehr reinpasst, als optisch dürfte. Verse. Texte zu Bildern. Philosophisches. Ein Theaterstück. Eine wahre Fundgrube. Aus der ich noch rausklettere, mit viel Gepäck.

Und Alper Soytürks „Endstation Kottbusser Tor“. Das habe ich nur angelesen, sobald ich mit Angie Thomas „fertig“ bin (ist man mit Büchern, die einen bewegen, jemals fertig?), spring ich da hinein. Was ich schon kenne, zieht ganz schön. Nicht nur, weil ich mal selbst in der Nähe der Gegend, des Milieus gelebt habe. Da hat jemand was zu erzählen. Und er kann es.

Was nie fehlen darf: Ein Buch zum Blättern. Anfassen. Ja, in manchen Fälle grenzt das an Liebkosungen. Das neueste in der stetig wachsenden Sammlung ist „Die Welt der Farben“ von Kassia St. Clair (deutsch von Marion Hertle). Sagenhaft gebildete und amüsante Text zu Nuancen, randvoll mit neuen Wörtern und Wissen, das man vielleicht nicht braucht, das aber sauglücklich macht. Also braucht man es doch. Das liegt bereit zum Michdrinwälzen. In Umbra, Zinnoberrot, Indischgelb, Ägyptischblau, Seladon, Gagat und Amarant. Frag mich, wie ich bisher ohne das Buch sein konnte. Und werde es sicher noch ausführlich würdigen hier. Allein, wegen der Optik. Der Schnitt hat alle Farben. Wie das passt. Zum Rausch der Töne…

Ich freue mich darauf, über diese und weitere Bücher hier zu schreiben. Und über vieles mehr. Auch kürzer. Mal gerade, mal mäandernd. Und auch mal gereimt.

Willkommen!

Nachtrag am Abend: Ich sehe gerade, ich habe die „Menschenfabrik“ vergessen. Wie konnte ich nur. Das wird dann der erste Ein-Buch-Blog. Was für eine Entdeckung.

4 Antworten zu “Online! Oder: Laufend lesen und lesend mäandern”

  1. Liebe Barbara
    „laufendlesen“ wird jedenfalls ein Blog sein, in dem ich mich immer wieder informieren werde, auch als laufender Leser. Keines der Bücher, über die Du hier berichtet hast, habe ich bisher auf dem Schirm. Vielleicht liegt es daran, dass ich aktuell mehr höre als lese. Das wird nach Leipzig sicher wieder anders. Dann treffen sich unsere Tipps vielleicht!

  2. Barbara Weitzel sagt:

    Lieber Wolfgang, ich freue mich auf den Austausch und Deine Empfehlungen. Gerade aus der Welt des „erlesenen“ Hörens. Ich habe sie bis vor kurzem schmählich vernachlässigt. Wir sehen uns in Leipzig!

  3. Danke für die Anregungen und ich blicke gespannt auf „news from the blog“…
    Alexx

  4. Wie schön. Dein Blog! Ich werde da sein und immer wieder mitlaufen, sprich laufend lesen, was du schreibst. Ich freue mich drauf!

    Liebe Grüsse
    Sandra

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