Ansichten und mehr

Text Barbara Weitzel
Bilder Kornelius Wilkens

 

Kornelius Wilkens malt, ich schreibe. Ich schreibe, Kornelius Wilkens malt. Etwas Drittes entsteht, nach und nach. Demnächst mehr.

Blau der Worte (10)

Sie wissen: Wir haben fast alle Seiten auf unserer Seite.

 

„Seitenweise Abseitiges!“ hört man es höhnen, doch die Stimmen

versinken im Sumpf, der noch nie

eine Farbe hatte.

 

Die Reue hat so viele Farben wie die Taten also keine. Wie viel mehr Töne kennen der Mut und die Treue.

Sie werden sich nicht verkleiden.

Blau der Worte (10)

Sie wissen: Wir haben fast alle Seiten auf unserer Seite.

 

„Seitenweise Abseitiges!“ hört man es höhnen, doch die Stimmen

versinken im Sumpf, der noch nie

eine Farbe hatte.

 

Die Reue hat so viele Farben wie die Taten also keine. Wie viel mehr Töne kennen der Mut und die Treue.

Sie werden sich nicht verkleiden.

Andere Ansichten – Blatt 3

 

Tauben sind hässlich, selbst ihr Geräusch ist Schmutz. So die gängige Sicht.

 

Sie sind die Aschenputtel unter den Vögeln. Rinnsteinprinzessinnen.

 

Doch diese, sie ist –

 

Alle sehen hin. Sie tanzt. Tanzt und findet keinen Halt, tanzt und rutscht ab. Taumelt.

 

Wie kleine Hunde über glatte Fliesen laufen, dippeln die Krallen auf Metall.

 

Schüttelt sich der Taubenkopf. Ungläubig, oder ungehalten. Weiß sie nicht, dass sie tanzt.

 

Ist sie anders als die anderen? Womöglich schafft sie nur

 

die taube Blindheit zu durchbrechen.

 

(3) Das vorläufige Ende der blauen Stunde

 

Denn die Zeit des Blätterraschelns ist vorbei.

Unmodernes Murmeln, so hört man sie murren. Und: „Gebt uns klare Worte.“

Sie stänkern aus Angst vor der Tiefe, dem Fastschwarz der Millionen Wirklichkeiten.

Die Wörter können nichts dafür. Der Mensch

trampelt statt zu tanzen, greift statt zu berühren und kennt den Wert des Flüsterns nicht.

Es gibt kein Zurück. Oder doch?

 

(3) Das vorläufige Ende der blauen Stunde

 

Denn die Zeit des Blätterraschelns ist vorbei.

Unmodernes Murmeln, so hört man sie murren. Und: „Gebt uns klare Worte.“

Sie stänkern aus Angst vor der Tiefe, dem Fastschwarz der Millionen Wirklichkeiten.

Die Wörter können nichts dafür. Der Mensch

trampelt statt zu tanzen, greift statt zu berühren und kennt den Wert des Flüsterns nicht.

Es gibt kein Zurück. Oder doch?

Vier Uhr morgens – Blatt 1

Wenn ich sage: Gib mir die Hand
zögere nicht, gib sie mir.

Wenn ich frage nach Richtung und Band
antworte klar, ohne Kurve und Zier.

Denn wenn ich so spreche,
ist es morgens um vier.

Wenn ich behaupte, ich sähe Wesen,
das Dunkel sei gerade ein Tier,

sag nicht, das käme vom Lesen,
und behalt Deine Zweifel bei Dir.

Denn wenn ich mich fürchte,
Ist es morgens um vier.

Wenn ich sehe, dass Schatten sich jagen
Runden um Runden

Und flüstern von Verlust und Versagen
dann ist es vier

bitte bleib wach mit mir
nur noch zwei Stunden.

Vier Uhr morgens – Blatt 2

Am Fenster

Sogar die Sterne schlafen
Haben, so scheint es, niemals gebrannt.
Selbst der Oktoberwind vergisst,
wer er ist,
und wer jetzt wacht
ist in sich verbannt.

Tag, werde!
Beende diese endliche Stunde
Die sich dreht
Runde um Wunde
Und spottet
Dem Ruhelosen,

der sich dreht,
Wunde um Runde
Auf das sie vergeht.
Denn sie denkt, sie darf alles
diese Stunde, in der nicht mal
der Wind tut, was er sonst tut

nämlich weht

Vier Uhr morgens – Blatt 2

Am Fenster

Sogar die Sterne schlafen
Haben, so scheint es, niemals gebrannt.
Selbst der Oktoberwind vergisst,
wer er ist,
und wer jetzt wacht
ist in sich verbannt.

Tag, werde!
Beende diese endliche Stunde
Die sich dreht
Runde um Wunde
Und spottet
Dem Ruhelosen,

der sich dreht,
Wunde um Runde
Auf das sie vergeht.
Denn sie denkt, sie darf alles
diese Stunde, in der nicht mal
der Wind tut, was er sonst tut

nämlich weht

Vier Uhr morgens – Blatt 3

Nachtnachrichten

Risse in der Wand
dort und hier,
der Zeiger steht auf vier,
das Haus
auf Sand.

Die stille Nacht
wird laut und hell
Zu grell, zu schnell
Stimmen und Bilder
und eine Uhr, die lacht.

Hier und dort ein Schreien
im bunten Dunkel,
kein Gefunkel,
Fakten und Fakes
Wie dieser Stunde je verzeihen?

Zu viel Geschehen
gehört, gesehen
ohne Elefantenmantel.
Jetzt nackt und blank
will’s nicht vergehen.

Vier Uhr morgens – Blatt 4

Immer noch

Wenn ich behaupte, dass die Wände verrücken
jeden klaren Gedanken zerdrücken,
wenn ich sicher bin, dass sie plötzlich schweben,
alles verweben und gleichzeitig kleben:

frag nicht, was geschah.
Um vier Uhr morgens ist nichts, NICHTS klar.

Wenn ich plötzlich aufstehn muss,
und ein paar Schritte gehen,
dann lass es bloß geschehen.
Und warte noch
mit Deinem Kuss.

Ich bin zwar hier
und doch auch nicht.

Es ist immer noch morgens um vier
und nirgends Licht.

kornelius wilkens, barbara weitzel

Vier Uhr morgens – Blatt 4

Immer noch

Wenn ich behaupte, dass die Wände verrücken
jeden klaren Gedanken zerdrücken,
wenn ich sicher bin, dass sie plötzlich schweben,
alles verweben und gleichzeitig kleben:

frag nicht, was geschah.
Um vier Uhr morgens ist nichts, NICHTS klar.

Wenn ich plötzlich aufstehn muss,
und ein paar Schritte gehen,
dann lass es bloß geschehen.
Und warte noch
mit Deinem Kuss.

Ich bin zwar hier
und doch auch nicht.

Es ist immer noch morgens um vier
und nirgends Licht.